Das Gehirn im Fokus

Ein Interview mit Prof. Dr. Mark Obermann, dem Chefarzt der Klinik für Neurologie am St. Ansgar Krankenhaus Höxter

29.10.2021

Herr Prof. Dr. Obermann, 2500 Menschen werden jährlich in der Klinik für Neurologie am St. Ansgar Krankenhaus behandelt. Damit sind wir Vorreiter in der Region. Was zeichnet die Klinik aus?

In unserer Klinik sind Ärzte und Pflegepersonal auf die Versorgung akuter Schlaganfälle spezialisiert. In unserer von der Stiftung Deutsche Schlaganfall- Hilfe zertifizierten „Stroke Unit“ werden Patienten in den ersten Tagen nach der Erkrankung von einem Experten-Team behandelt. Darüber hinaus bieten wir unseren Patienten mit schweren neurologischen Erkrankungen eine Rehabilitation ab der ersten Stunde an.

 

Die Neurologische Frührehabilitation (NFR) ist also für das gesamte Spektrum neurologischer Erkrankungen zuständig?

Richtig. In der NFR werden alle Erkrankungen des Gehirns, des Nervensystems und der Muskulatur behandelt. Zu unserem Team gehören neben dem ärztlichen Dienst und der Pflege auch erfahrene Ergo- und Physiotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen. Gemeinsam erarbeiten wir ein individuelles Therapiekonzept.

 

Warum ist eine zügige Rehabilitation und Mobilisation so wichtig?

Mit dem medizinischen Fortschritt werden die Überlebenschancen für Patienten mit schweren Blutungen oder Schlaganfällen glücklicherweise immer besser. Um dauerhafte Behinderungen zu vermeiden, ist eine lückenlose Versorgung nach der Akutbehandlung enorm wichtig. Unser Ziel ist es, die häufig noch sehr schwachen Patienten mit gezielten Therapien wieder so fit zu machen, dass sie zur weiteren Mobilisierung in eine Reha- Einrichtung entlassen werden können.

 

In der NFR werden auch Patienten mit schweren Schlaganfällen behandelt. Besonders gefährdet sind Menschen ab 60 Jahren. Warum?

Gewisse Risikofaktoren wie Rauchen oder Bluthochdruck begünstigen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Demnach steigt auch die Zahl der Erkrankungen mit zunehmendem Alter. Weitere typische Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind Diabetes, Adipositas oder eine Fettstoffwechsel-Störung.

 

Lässt sich ein Schlaganfall verhindern?

Um das Risiko zu senken, kann jeder selbst aktiv werden. Ein Schlaganfall lässt sich vorbeugen, indem man auf Zigaretten verzichtet, sich gesund und ausgewogen ernährt, einen erhöhten Blutdruck mit Tabletten korrigiert, den Diabetes richtig einstellt und sich regelmäßig körperlich bewegt.

 

Wann sollte man sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus machen oder einen Notarzt rufen?

Sobald die genannten Symptome (siehe FAST-Test) auftreten, sollte der Notarzt angerufen werden. Viele Menschen machen den Fehler und warten ab, ob die Symptomatik von selber wieder verschwindet. Das passiert in der Regel nicht und selbst wenn, dann kann es sein, dass der große Schlaganfall mit Halbseitenlähmung eine Stunde später auftritt.

 

Was sind die häufigsten Langzeitfolgen?

Dazu zählen vor allem Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen. Viele Menschen wissen nicht, dass der Schlaganfall die häufigste Ursache von bleibender Behinderung in Deutschland ist.

 

Kann der Patient nach einem Schlaganfall wieder normal in seinen Alltag zurückkehren?

Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Folgeschäden zu vermeiden. Dabei spielt auch die Behandlung in der Neurologischen Frührehabilitation eine wesentliche Rolle. Sie ist eine ideale Ergänzung zur regelhaften Versorgung und verbessert die Versorgung – nicht nur bei Schlaganfall-Patienten. Während die Betroffenen früher zum Teil in Seniorenoder andere Pflegeeinrichtungen verlegt werden mussten, haben sie dank der NFR-Therapie heute immer häufiger die Chance, ihren Alltag selbstständig meistern zu können.

 

 

Interviewpartner: Prof. Dr. Mark Obermann, Chefarzt der Klinik für Neurologie 

 

 

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